Gesundheit & Ernährung: Die Ernährung der Zukunft

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01. April 2017

BZ-SERIE "GUT UND GESUND ESSEN" (13 UND ENDE): Das Max-Rubner-Institut in Karlsruhe erforscht die Wirkung von Nahrung im Körper /.

Obst, Gemüse und Ballaststoffe sind gesund. Das ist bekannt. Aber was passiert mit den Abertausenden chemischen Substanzen während ihrer Tour durch Mund, Magen und Darm? Wie werden die Stoffe im Körper aufgenommen? Wo und wie genau wirken sie?

Die Fahndung nach den winzigen Tausendsassas, nach Docasahexaensäure, Beta-Glucanen, Anthocyanen, Isoflavonen, Phenolen, Glucosinolaten und all den anderen bioaktiven Substanzen mit den schwer auszusprechenden Namen, ist ein Fall für das in dieser Serie häufig zitierte Max-Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, das Bundesforschungszentrum für Ernährung und Lebensmittel.

Achim Bub, 54, Ernährungsmediziner am Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung, erforscht mit seinem Team die gesundheitsfördernden Effekte dieser Stoffe. "Wir versuchen, den oft beschworenen Zusammenhang zwischen gesunder Ernährung und Gesundheit auf einer wissenschaftlichen Ebene zusammenzubringen und nachzuweisen."

Ein schwieriges Unterfangen. Ein komplexes Netzwerk biochemischer Reaktionen versorgt die Zellen mit Baustoffen und Energie. Viele Substanzen sind im Detail noch unbekannt.


Bub wollte zum Beispiel wissen, ob die viel gelobten sekundären Pflanzenstoffe im Apfel wirklich vor den freien Radikalen schützen, die die Zellen schädigen und Krankheiten wie Herzinfarkt oder Krebs begünstigen, das Immunsystem schwächen und zur Hautalterung beitragen können.

Auf seinem Schreibtisch liegt eine Tüte mit Äpfeln. An apple a day keeps the doctor away?

Äpfel schützen die Zellen

vor freien Radikalen

Ganz so einfach ist es doch nicht. Ein Apfel ist nicht einfach ein Apfel. Er besteht, das lernt der Besucher bei diesem Besuch, aus mehreren tausend Inhaltsstoffen, darunter Vitamin C, Kalium, wasserlöslichen Pektinen und sekundären Pflanzenstoffen wie Polyphenole oder Flavonoide. Die Lebensmittelfahnder in der Analytik können mit Hilfe eines chemischen Fingerabdrucks der Inhaltsstoffe erkennen, ob die Frucht frisch ist oder gelagert wurde, ob es sich um einen Red Delicious, einen Braeburn, Gravensteiner oder um einen Granny Smith handelt.

Nur die Inhaltsstoffe zu analysieren, reicht Bubs Team nicht. Sie wollen wissen, was mit den Substanzen im Körper exakt passiert. Metabolomics heißt dieses junge Forschungsfeld. Der Begriff leitet sich ab von Metabolismus, auf Deutsch Stoffwechsel. Der Blick in das Innere des Stoffwechsels soll helfen, eines Tages Krankheiten wie Diabetes oder Krebs besser zu verstehen oder bekämpfen zu können.

Die Teilnehmer einer stationären Studie mussten dafür auf nüchternen Magen jede Menge Äpfel essen. Anhand der Blut-, Urin- und Stuhlproben konnten die Forscher sehen, was an Inhaltsstoffen aufgenommen wird und welche Folgen dies hat. Dank des "Comet Assey"-Verfahrens kann die Wirkung bestimmter Lebensmittel auf die Zellgesundheit sogar sichtbar gemacht werden.

In jeder Körperzelle findet sich im Zellkern DNA, die die genetische Information trägt. Normalerweise befindet sich die DNA in einem runden Zellkern. Ein geschädigter Kern zieht einen Kometenschweif aus Erbsubstanz-Bruchstücken hinter sich her. Die Ernährungsforscher können zeigen, dass die Polyphenole, die sekundären Pflanzenstoffe in Äpfeln, diese Schäden reparieren oder gar nicht erst entstehen lassen. Bereits nach 24 Stunden ist der Effekt gut messbar. Je mehr Äpfel gegessen werden, desto deutlicher wird der Effekt, aber auch schon ein einzelner Apfel zeigt Wirkung. Bub: "Unsere Studie beweist: Äpfel schützen die Zellen tatsächlich vor den freien Radikalen."

Jeden Tag Milchshakes, Pfannkuchen und Kekse für das Wohlbefinden und die Gesundheit? Warum nicht, wenn es der Wissenschaft dient. Und wenn die Lebensmittel mit wertvollen Fettsäuren und Pflanzenstoffen versehen sind. Derzeit untersuchen Bub und sein Team für die europäische Studie Pathway 27, ob eine Omega-3-Fettsäure, die im Lachs und Hering vorkommt, Ballaststoffe aus Hafer und Gerste und wasserlösliche rote Pflanzenfarbstoffe, die häufig in Johannisbeeren, Trauben und Blaubeeren enthalten sind, Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel haben.

Um dem alltäglichen Essverhalten möglichst nahe zu kommen, nehmen die 30 Studienteilnehmer diese Stoffe nicht als Tablette ein, sondern knabbern zwölf Wochen lang jeden Tag lang Kekse, trinken Milchshakes und essen Pfannkuchen, in denen Pflanzenstoffe versteckt wurden. Sie füllen lange Fragebögen aus und lassen sich immer wieder untersuchen. Um die Wirkung von anderen Effekten unterscheiden zu können, bekommt die Hälfte der Probanden Kekse, Pfannkuchen und Milchshakes ohne Zusätze. Das Rätsel, wer zu welcher Gruppe gehört, wird erst nach Studienende gelüftet.

Auf diese Weise wollen die Forscher die Wirkungsmechanismen dieser Substanzen im menschlichen Körper besser verstehen lernen. Zudem soll geprüft werden, ob es sinnvoll sein könnte, Lebensmittel mit bioaktiven Substanzen anzureichern. Die Forschungsergebnisse sind die Basis für die Festlegung von Richtlinien auf EU-Ebene.

Schöne, neue Ernährungswelt? Damit beschäftigt sich eine Forschungsgruppe am MRI, die untersucht, ob Nanopartikel Lebensmittel haltbarer und gesünder machen können. Nanopartikel sind Teilchen, die viel kleiner sind als feinste Staubpartikel. Ein Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters. Ein Nanoteilchen ist im Vergleich zu einem Fußball so klein wie der Fußball im Verhältnis zur Erdkugel.

Gehört Nanotechnologie
zur Ernährung der Zukunft?
An Ideen für den Hightech-Einsatz mangelt es nicht. Die Industrie arbeitet daran, Lebensmittel mit Nanoteilchen zu versehen, die dem Gaumen Geschmack vorgaukeln und trotzdem nicht schaden. Künstlich hergestellte Nanopartikel lassen sich zu kleinen Käfigen zusammenfügen, die mit Vitaminen, Ölen oder Geschmacksstoffen gefüllt werden. Bekannt ist dieses Prinzip aus der Natur, wo zum Beispiel Caseinmicellen als natürliche Nanopartikel in der Milch das Calcium umschließen und in dieser Form in den Körper transportieren.

Die künstlichen Nanokäfige sind vor allem für Functional Food interessant, also all jene Lebensmittel, die künstlich mit Vitaminen und Nährstoffen angereichert werden. Empfindliche Vitamine könnten damit unbeschadet durch den Magen geschleust werden, Fettkügelchen, deren Inneres mit Wasser gefüllt ist, könnten Geschmack ohne zusätzliche Kalorien garantieren.

Ob die Nanotechnik im Lebensmittelbereich wirklich so ungefährlich ist, wie die Industrie behauptet, ist kaum erforscht. Am Max-Rubner-Institut wird jetzt an Nachweis- und Charakterisierungsverfahren für technisch hergestellte Nanomaterialien gearbeitet. Entscheidend ist die Frage, ob die Winzlinge Barrieren überwinden, die von der Natur dafür konzipiert wurden, nichts unkontrolliert durchzulassen. Zum Beispiel die Blut-Hirn-Schranke, die die Nervenzellen vor im Blut zirkulierenden Viren, Bakterien und Giften schützt.

Werden wir eines Tages Lebensmittel kaufen können, die vor Krebs schützen? Achim Bub warnt vor zu viel Euphorie: "Aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen kann es meines Erachtens keine Studie geben, die nachweist, dass dieses oder jenes Lebensmittel das Krebsrisiko aktiv senkt."

Wie soll eine gesunde Ernährung aussehen? Die Antwort des Mediziners ist kurz: "Vielseitig. Punkt! Wer den Rat noch etwas erweitern will: weniger Fett, mehr Obst und Gemüse und vor allem mehr richtige Vollkornprodukte. Keine Körnerweckle, sondern richtiges Vollkorn. Und mehr Bewegung. Das ist das ganze Geheimnis."

Forschung am Max-Rubner-Institut


Wie kann das Schimmeln von Lebensmitteln verhindert werden? Was passiert bei der Lagerung im Inneren eines Joghurts oder Öls? Steckt wirklich die auf der Packung angegebene Fischart unter der Panade? Gibt es innovative Lebensmittel, die gesund sind und schmecken? Wie verändert sich das Ernährungsverhalten der Deutschen?

Das sind nur einige der Fragen, mit denen sich die 200 Wissenschaftler des Max-Rubner-Instituts beschäftigen. Das Institut ist wissenschaftlich selbstständig und berät das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft in allen Fragen zur Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln. Neben dem Hauptsitz Karlsruhe (Schwerpunkt Obst und Gemüse) hat das Institut Standorte in Kiel (Milch und Fisch), Detmold (Getreide) und Kulmbach (Fleisch). Der Schwerpunkt der Forschung liegt auf dem gesundheitlichen Verbraucherschutz im Bereich Ernährung. Dabei wird die komplette Ernährungskette von der molekularen und zellulären Ebene bis hin zum Gesamtorganismus betrachtet. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, Empfehlungen für eine gesund erhaltende Ernährung abzuleiten.

Übrigens: Gegen Schimmel hilft Blaulicht. Auch sechs Wochen nach Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums verändert sich der pH-Wert, der milden Joghurt vor dem Verderben schützt, nicht und kann getrost gegessen werden. Was in Deutschland auf den Tisch kommt und wie sich die Ernährung von Männern und Frauen unterscheidet, das untersucht die dritte Verzehrsstudie, die im Herbst 2018 startet.  

Autor: bz

Autor: Petra Kistler

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