Wie Eltern ihre Kinder zu dicken Erwachsenen machen

Kalte Pommes in der Pausendose, eingeschweißte Schokohörnchen oder Milchschnitten als Snack für zwischendurch – dass das nicht gesund sein kann, hält mancher für Allgemeingut. Doch das ist es nicht. Susanne Fischer ist als Ernährungsberaterin in Grundschulen unterwegs. Sie unterstützt dort Projekte zur Gesundheitsförderung und macht mit Drittklässlern einen Ernährungsführerschein. Was die Kinder dort zeigen und erzählen, hat oft eher mit schnellem Abspeisen zu tun, als mit bewusster Ernährung. "Dabei sind die Kinder in Sachen Ernährung so neugierig und begeisterungsfähig", sagt sie.

Hier erfahren Sie, zu welchen neuen Kindererkrankungen Übergewicht führt.[1]

Das ist die eine Hälfte. Die andere ist: Die Begeisterung des Nachwuchses für würzige Kräuter und Gemüsesticks mit Dip hält sich oft in Grenzen. Die Folge: In jeder Schulklasse, die Fischer besucht, sitzen mindestens drei oft auch mehr übergewichtige Kinder. Das entspricht den Ergebnissen der KiGGS-Studie zur Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen: 15 Prozent aller Grundschulkinder sind übergewichtig. 6,4 Prozent von ihnen sogar so schlimm, dass es behandlungsbedürftig ist.

Der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher hat sich gegenüber den 1980er- und 1990er-Jahren um 50 Prozent erhöht. Inzwischen sind Ernährungsexperten wie Mathilde Kersting von der Ruhr-Uni Bochum froh, dass die Zahl nicht weiter steigt. Prävention wäre wichtig, sagt sie. Denn wenn die Ernährung einmal falsch läuft, gräbt sich das tief ins Gedächtnis. Einen ungesunden Lebensstil wieder umzukehren, sei fast aussichtslos. Als Geschäftsführerin des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund (FKE) kennt sie die Studien, die das belegen.

Vier Tipps gegen dicke Bäuche in der Familie

Was sind die häufigsten Fehler, die Eltern machen?

  1. Mutter isst zu viel – Kind wird dick Die Ernährungserziehung beginnt genau genommen in der Schwangerschaft. Nimmt die Mutter in dieser Zeit zu stark zu, wirkt sich das schon auf den Stoffwechsel des Ungeborenen aus. Eine Studie des Ulmer Stoffwechselmediziners Martin Wabitsch zeigte, dass diese Kinder oft bereits im Grundschulalter einen veränderten Zuckerstoffwechsel hatten. 
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  2. Auf Knatschen folgt Essen Quengeln Kinder andauernd, ist die Not der Eltern groß. Wer nicht selbst darauf kommt, den fragen besorgte Zeitgenossen: "Hat es Hunger?", die Ernährungsexpertin Kersting warnt allerdings davor, auf Quengeln voreilig mit Nahrungsangeboten zu reagieren. Ein Kind hat nicht Hunger, wenn es knatscht. Vielleicht will es nur Aufmerksamkeit, möchte auf den Arm oder hat die Hose voll. Bekommt das Kind häufig statt Aufmerksamkeit Essen in die Hand gedrückt, findet eine Verknüpfung statt. Das Kind lernt, Nahrung als Belohnung oder Trostspender zu verstehen.
     
  3. Kinderüberfütterung Schon Säuglinge haben ein natürliches Sättigungsgefühl. Das weiß man aus Studien. "Wenn man Neugeborene in den ersten drei Monaten kalorienreiche Milch anbietet, trinken sie davon instinktiv weniger", sagt Kersting. Portionsangaben auf Babyfertignahrung seien nur Orientierungswerte. Wenn ein Säugling Sattheit signalisiert indem er den Kopf wegdreht, sollte man es dabei belassen. Experten raten auch davon ab, Kinder dazu zu animieren, den Teller um jeden Preis leer zu essen. Aussprüche wie "Wenn du aufisst, bekommst du noch einen Schokoriegel als Nachtisch", vermitteln die falsche Botschaft.
     
  4. Nie mehr Hunger durch Daueressen Drei Hauptmahlzeiten am Tag, die man durch zwei Zwischenmahlzeiten ergänzt, reichen aus. Doch die Realität sieht anders aus. Das Nahrungsangebot ist übermäßig. An jeder Ecke verlocken schnelle Snacks dazu, nachzuladen, wenn es noch gar nicht an der Zeit ist. "Beinahe jedes Kind, das im Buggy umhergefahren wird, hat etwas zum Essen oder Dauernuckeln in der Hand", sagt Fischer.
     
  5. Quetschobst statt Apfel Quetschobstpäckchen sind trendy, denn das Obst zermatscht nicht – weil es schon zermust in der Packung steckt. Doch wer nur draufdrückt und schluckt, hat wenig Gefühl dafür, wie viel Nahrung er aufnimmt. Darum der Tipp: Besser altmodisch zum Apfel greifen und kauen. Dass das dauert ist gerade Sinn der Sache. Bis das Gefühl "satt" vom Magen aus im Hirn ankommt, vergehen 20 Minuten.
     
  6. Unbewusst essen Kinder vor dem Fernseher oder beim Spielen nebenbei essen zu lassen, machten das Essen zur Nebensache. Das steigert das Risiko für Übergewicht, so das Ergebnis der europäischen Studie I. Family, die vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie koordiniert wurde. Darum raten die Experten: Mindestens eine Mahlzeit am Tag sollte am gedeckten Tisch eingenommen werden, in Ruhe gemeinsam und bewusst.
     
  7. Falsche Getränke Aromatisierte Mineralwasser sind neben ACE-Säften ein Trendgetränk in den Schulen. Sie enthalten jedoch ebenso wie fertig gekaufte Apfelschorle viel Zucker. Darum raten die Experten, Kindern von Beginn an Wasser als Regelgetränk anzubieten und nur gelegentlich Saft. "Denn Saft enthält ebenso viele Kalorien wie Limonaden", sagt Kersting.
     
  8. Dauernaschen vor der Glotze Chips beim Fernsehen oder Süßigkeiten zum Spieleabend – das kann zur Gewohnheit werden. Wer Zusammensein mit Essen verbindet, legt das so schnell nicht wieder ab. Weiteres Risiko: Die Dauerberieselung mit Werbung führt dazu, dass Kinder öfter zu Softdrinks und fetten sowie süßen Speisen greifen. Selbst dann, wenn die Eltern es verbieten und gesunde Ernährung vorleben. Die Kinder essen sogar Snacks, die sie eigentlich gar nicht mögen.
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