Ernährung: Wer Salziges isst, muss nicht mehr trinken
Zehn junge Männer, körperlich gesund – und Vollzeit überwacht. Sie sitzen nicht in einer Anstalt, sondern sind Teilnehmer eines der längsten Isolationsexperimente, die bislang durchgeführt wurden. Als „Kosmonauten“ sollten sie im russischen Experiment Mars-500 Forschern helfen zu verstehen, was mit Körper und Geist von Langzeitraumfahrern passiert.
Deshalb wurde alles überwacht. Jede körperliche Regung, was sie essen, wie viel sie trinken – und wie viel Urin sie abgeben. Über 205 Tage lief dieses Monitoring, das bereits fast sieben Jahre her ist. Aber das Setting war so interessant und ergiebig, dass Wissenschaftler bis heute die Daten auswerten.
Dabei kommt es immer wieder zu Überraschungen. So beschreibt nun ein Team internationaler Forscher um Jens Titze von der Universität Erlangen und jetzt Vanderbilt University in den USA, dass die Annahme, dass salziges Essen zu mehr Durst und mehr Urin führt, offenbar nicht stimmt. Im „Journal of Clinical Investigation[1]“ berichten sie von ihren Erkenntnissen.
Jeder Topfen Urin wurde gezählt
Die russische Ärztin Natalia Rakova, jetzt am Experimental and Clinical Research Center an der Charité und Max-Delbrück Centrum für Moleculare Medizin, Berlin-Buch, hatte zehn Männer untersucht, die entweder 105 oder 205 Tage lang in der Raumschiff-Attrappe Mars-500 eingeschlossen waren. Alle Teilnehmer hatten identische Speisepläne, manche von ihnen bekamen aber sechs, neun oder zwölf Gramm Salz pro Tag.
„Wir wussten genau, was sie gegessen habe, wie viel und was sie getrunken haben – und wir haben jeden Tropfen Urin von ihnen aufgefangen“, erklärt Friedrich Luft, auch am Experimental and Clinical Research Center am Max-Delbrück Centrum für Moleculare Medizin, Berlin-Buch.
Unbekannter Wasserspar-Mechanismus
Überraschenderweise tranken die Männer, die viel Salz gegessen hatten, nicht mehr als die, die wenig zu sich genommen hatten. Sie aßen etwas mehr und sonderten nur wenig mehr Urin ab. Das Salz löste in den Nieren offenbar einen körperinternen Wasserspar-Mechanismus aus. Das steht der bislang geltenden Theorie, nach der Salziges durstig macht, entgegen.
Lehrbücher erklären den Flüssigkeitsstoffwechsel der Menschen so: In der Niere werden Wasser und Proteine aus dem Blut gefiltert; die Ionen werden rückresorbiert von den Nierentubuli oder ausgeschieden. Dabei fallen bis zu 200 Liter Primärharn an. In einem zweiten Schritt werden wichtige Stoffe aus dem Primärharn wieder in den Körper zurücktransportiert. 99 Prozent des Primärharns werden dabei recycelt, der Rest ausgeschieden.
Bei diesem Recyclingprozess spielt Salz eine wichtige Rolle. Es sorgt dafür, so die bisherige Vorstellung, dass Flüssigkeit im Urin bleibt. Viel Salzaufnahme führe somit zu einer höheren Salzkonzentration im Primärharn und dann dazu, dass weniger Flüssigkeit zurückgewonnen wird. Das dachte man zumindest bisher.
Unvermutete Rolle von Harnstoff
Nun zeigt sich aber: Das Salz bleibt zwar im Harn – das Wasser wird aber trotzdem zurücktransportiert.
Die Mäuseversuche halfen, die Funktionsweise des bisher unbekannten Wasserspar-Mechanismus zu verstehen. Offenbar ist nicht Salz, sondern Harnstoff die entscheidende Substanz. Harnstoff wird von Muskeln und Leber eigentlich dazu genutzt, Stickstoff aus den Zellen zu entsorgen. Es kostet den Körper allerdings Energie, Harnstoff aufzubauen.
Mäuse, die in ihren Nieren Harnstoff einlagerten, hatten einen katabolischen Stoffwechsel, das heißt, sie verbrauchten Energie. Eine höhere Harnstoff-Konzentration in den Nieren wirkt der wasserbindenden Kraft des Salzes im Primärharn entgegen. Kurzum: Wenn Mäuse viel Salz fressen, produzieren sie unter Energieaufwand Harnstoff, um Wasser im Körper zurückzuhalten.
Offenbar haben Forscher die Rolle des Harnstoffs für den Körper bislang unterschätzt. „Er ist nicht nur ein Abfallprodukt, wie wir bisher angenommen hatten“, sagt Friedrich Luft. „Er hält vielmehr das Wasser im Körper, wenn wir Salz ausscheiden.“
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Quelle: N24
Das alles, sagt Friedrich Luft, seien allerdings erst einmal vorläufige Ergebnisse. Ob sie allgemeingültig seien, müsse geprüft werden. Die Harnstoff-Erklärung habe man im Versuch mit Mäusen gefunden, ob sie auch bei Menschen gelte, ist noch nicht ganz geklärt. Aber es scheint der Fall zu sein, schließlich hatten die Ergebnisse mit den Kosmonauten darauf hingedeutet.
Allerdings haben am Mars-500-Experiment nur zehn Männer teilgenommen – ob also auch Frauen weniger Wasser ausscheiden, wenn sie mehr Salz essen, ist wahrscheinlich, aber noch nicht geklärt. Ebenso unklar ist die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Blutdruckregulation.
Quelle:
www.welt.deFußnoten:
- ^ Journal of Clinical Investigation (www.jci.org)
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