Gesund essen: Welche Ernährungstipps stimmen wirklich?
Wer gestern Abend mit leisem Stolz auf die Tarte au Chocolat[1] zum Dessert verzichtet und sich mit einem asketischen Rohkostteller begnügte, wer statt der Cola eine Bio-Limonade getrunken hat, der muss nun stark sein: Auch diese vermeintlich so gesunden Alternativen können Ihrem Körper schaden. „Rohkost am Abend überfordert die Verdauung, das kann zu Schlafstörungen führen. Und viele Bio-Limos sind wahre Zuckerbomben[2]“, sagt Anne Fleck, die ungeschminkt, mit unglaublich klarer Haut, im beigefarbenen Blazer und wetterfesten Schuhen zum Interview erscheint, sofort. Besser bekannt ist sie als „Doc Fleck“, denn unter diesem Namen ist die ausgebildete Internistin, Rheumatologin und Präventivmedizinerin mittlerweile auch jenseits der Elbe bekannt.
Seit vier Jahren erklärt sie in der NDR-Sendung „Die Ernährungs-Docs“ diversen Patienten, wie das, was sie essen, ihrem Körper[3] schaden oder guttun kann. Ausgerechnet sie, die sich täglich mit Ernährung beschäftigt, mag dieses Wort nicht besonders: „Ernährung, das klingt so freudlos und unsinnlich.“ Anne Fleck spricht lieber von gutem, bewusstem Essen. Und das bedeutet für sie vor allem eins: Genuss. Zu dem gehört für sie auch Schokolade: „Sich vermeintliche Sünden zu versagen macht weder glücklich noch gesund.“
Diese Philosophie zieht sich auch durch ihre Kochbücher. Ihre „50 gesündesten 10-Minuten-Rezepte“ etwa, die sie 2016 gemeinsam mit der Sterneköchin Su Vössing entwickelte, haben nichts mit Askese und Verzicht gemein. Roastbeef[4] auf Dinkelbrot, Gemüsecurry in Papaya und Rührei mit Aprikosen[5] klingen nicht gerade nach fader Öko-Küche. Am 26. Mai erscheint ihr neues Buch: „Die 70 einfachsten Gesund-Rezepte“ (Becker Joest Volk Verlag). Einfach und schnell muss es gehen, das weiß Anne Fleck aus eigener Erfahrung: „Bewusstes Essen muss zum individuellen Leben passen. Nicht jeder kann Stunden in der Küche verbringen.“
Sie selbst versucht sich zwischen Patienten, Dreharbeiten, dem Schreiben und Vorträgen in ganz Deutschland mindestens einmal am Tag Zeit zu nehmen, um in Ruhe zu essen und Kraft zu tanken. Die braucht sie, um auf der Bühne regelmäßig kulinarische Glaubenssätze zu erschüttern. Etwa das Mantra der fettarmen Ernährung: „Mittlerweile weiß man, dass Fett[6] gar nicht so schädlich für das Herz ist wie lange angenommen.“ Menschliche Zellen bestehen aus Eiweiß, Wasser und eben Fett – ständig auf Fettsäuren zu verzichten könne also gar nicht gesund sein.
Nicht alle Fette sind ungesund
Auch all jene, die angesichts der nahenden Bikinisaison[7] auf Fett verzichten, sollten umdenken. „Gesellschaften, die verstärkt auf fettarme Produkte setzen, sind besonders übergewichtig“, so Doc Fleck. „Sie nehmen dafür nämlich mehr Zucker zu sich.“ Bestes Beispiel dafür seien die USA. „Dass eine fettreiche Avocado gesünder ist als ein fettarmer, aber zuckerreicher Softdrink, sollte jedem einleuchten.“
Mit solch einfachen Wegweisern hilft Anne Fleck den Menschen durch den Dschungel der Ernährungstipps. Zierlich ist ihre Statur, sanft ihr Lächeln, zart ihre Stimme. Doch der elfenhafte Schein trügt. Wenn die gebürtige Saarländerin mit den Dogmen von Ernährungsexperten und geschäftstüchtigen Lebensmittelproduzenten aufräumt, spricht sie Klartext: „Gesundes Leben beginnt im Kopf, im Herzen und im Kochtopf – und der potenzielle, kleine Tod liegt in der Pfanne.“
Falsch oder in zu hoch erhitztem Pflanzenfett gebratene Lebensmittel seien gar nicht gesund: „Manches Pflanzenfett enthält Omega-3-reiche Fettsäuren. Kommen diese mit Licht, Sauerstoff und Hitze zusammen, können sie oxidieren und dem Körper schaden. Deshalb sollte man öfters Speisen im Ofen zubereiten oder sie mit hoch erhitzbaren Fetten wie Butterschmalz oder Kokosfett[8] anbraten.“
Ihre Tipps kommen gut an. So gut, dass sie in Hamburg oft erkannt und angesprochen wird. Für das Gespräch hat sie daher das abseits des Trubels gelegene Café des Hotels „Hyatt“ vorgeschlagen. „Hier kann man sich ganz in Ruhe unterhalten“, sagt sie und bestellt einen Wellness-Tee[9], den sie ohne Zucker trinkt. Als „Ernährungs-Terroristin“ möchte sie keinesfalls auftreten, betont sie, mit Blick auf den (gezuckerten) Cappuccino ihrer Gesprächspartnerin lachend. „Man muss sich nur darüber klar sein, dass so ein Cappuccino eine kleine Mahlzeit ist.“
Auch im Alltag spielt die Esskultur eine wichtige Rolle
Wissen, was man zu sich nimmt, sei der beste Weg zu einem gesunden und auch glücklichen Leben, ist sie überzeugt. „Die klassische Medizin und Ernährung als zusätzliches Instrument sind ziemlich beste Freunde.“ Zwei Freunde, die einander ergänzen: „Eine Rheuma-Erkrankung lässt sich aber natürlich nicht mit einer Möhre[10] heilen.“
Seit vier Jahren lebt sie in Hamburg, zuvor leitete sie in Berlin ein medizinisches Vorsorgezentrum. Kaum im Norden angekommen, kam auch schon die Anfrage, ob sie eine der „Ernährungs-Docs“ werden wolle. Anfangs zögerte sie noch: „Ich bin eher zurückhaltend[11], das Rampenlicht suche ich nicht.“ Doch ihre Aura strahlt auch ohne große Inszenierung. Anne Fleck muss nicht laut reden, damit man ihr zuhört.
Patienten überzeugten sie, ihre Erfahrungen und Ideen mit dem TV-Publikum zu teilen. Das war der Startschuss für ihre Zweitkarriere als Fernsehärztin, Referentin und Autorin. Das nächste Buch ist schon in Arbeit, diesmal geht es um gesundes, langfristig erfolgreiches Abnehmen[12]. Außerdem baut sie ihre Praxis neu auf. Schon jetzt ist die Warteliste der Patienten lang. Gutes Essen solle aber nicht erst bei akuter Krankheit zum Thema werden, findet sie.
Im Saarland, ihrer Heimat, spiele die Esskultur auch im Alltag eine wichtige Rolle. Diese Kultur vergessen vor allem allein lebende und viel beschäftigte Menschen: „Wer in Eile und nur nebenbei isst, vergisst oft das Kauen. Das kann zu Unverträglichkeiten[13] führen und den Darm schwächen.“ Häufig verschlingen wir unsere Nahrung, statt sie zu kauen und ihren Geschmack zu genießen. „Wie Pelikane“, sagt sie lächelnd. Gerade erst sah sie den Vögeln in Hagenbecks Zoo bei der Fütterung zu, dabei habe sie unweigerlich an ihre eigenen Artgenossen denken müssen.
Und was fehlt ihr, der Saarländerin, im hohen Norden? Anne Fleck muss nicht lange überlegen: „Löwenzahn[14]! Das gilt in meiner Heimat im Saarland als Delikatesse.“
Quelle: BECKER JOEST VOLK VERLAG
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Quelle:
www.welt.deFußnoten:
- ^ Chocolat (www.welt.de)
- ^ Zuckerbomben (www.welt.de)
- ^ Körper (www.welt.de)
- ^ Roastbeef (www.welt.de)
- ^ Aprikosen (www.welt.de)
- ^ Fett (www.welt.de)
- ^ Bikinisaison (www.welt.de)
- ^ Kokosfett (www.welt.de)
- ^ Tee (www.welt.de)
- ^ Möhre (www.welt.de)
- ^ zurückhaltend (www.welt.de)
- ^ Abnehmen (www.welt.de)
- ^ Unverträglichkeiten (www.welt.de)
- ^ Löwenzahn (www.welt.de)
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