Auch gesunde Ernährung hält die beiden fit – Weimar

Irmgard und Gerhard Woiwode feierten gestern das seltene Jubiläum der Gnadenhochzeit – und seinen 95. Geburtstag

Weimar. Es wurde ein wenig eng gestern in der kleinen Wohnung in der Weimarer Schwanseestraße. Kein Wunder bei dem Anlass: Es gab ein Doppel-Jubiläum bei Familie Woiwode. Irmgard und Gerhard feierten Gnadenhochzeit – vor 70 Jahren hatten sie sich das Jawort gegeben. Und weil jener Tag im Jahr 1947 zugleich Gerhards 25. Geburtstag war, vollendete er gestern auch sein 95. Lebensjahr. An prominenten Gratulanten mangelte es nicht: Auf dem Tisch lagen Schreiben des Bundespräsidenten und des Thüringer Landesvaters Bodo Ramelow, und der Weimarer OB Stefan Wolf kam persönlich vorbei.

Es gab auch einige andere, die sich arbeitsbedingt nicht viel Zeit nehmen konnten, aber wenigstens auf ein paar Minuten zum Gratulieren hereinschauten. Das hängt mit der Branche zusammen, in der Gerhard Woiwode so viele Jahre Spuren hinterließ: Er war als Kfz-Meister im Autohaus Thalmann einer von der Sorte mit „goldenen Händen“, einer, für den aus etlichen Winkeln der ehemaligen DDR die Kunden nach Weimar kamen. „Das Wort ,lebende Legende‘ ist hier nicht übertrieben“, sagte etwa Gerd Röder, der eine Werkstatt in der Erfurter Straße betreibt. „Schon mein Vater hat bei ihm gelernt, und ich in den 80er-Jahren auch.“ Bis heute könne man mit Woiwode fachsimpeln und bekomme manchmal noch gute Tipps. Im vorigen Jahr fuhren die beiden zu einem Oldtimertreffen bei Naumburg: „Wir sind ausgestiegen, da rief auch schon einer: Herr Woiwode ist da!“, so Röder. „Sofort bildete sich eine Menschentraube, alle wollten ihm die Hand schütteln.“

Woiwode, in Schlesien aufgewachsen, kam nach Weimar, weil ihm ein Kamerad mit seiner Heimadresse die vorzeitige Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in Bad Kreuznach ermöglicht hatte. Er war da quasi schon „verwitwet“: Gerhards erste Verlobte kam als Flakhelferin ums Leben. Irmgard, die sich eines Tages in einer Gaststätte an den Tisch gegenüber setzte, sah ihr so ähnlich, dass er sofort dachte: „Die ist es!“ Sie kamen ins Gespräch, trafen sich wieder, und mit dem ersten Kuss war klar: Sie gehören zusammen. Den Hochzeitstermin an seinem 25. Geburtstag wählten sie, weil es ein Freitag war – und da aus Aberglauben sonst niemand heiraten wollte.

Am nächsten Morgen um 5 Uhr weckten ihn seine Thalmann-Kollegen: Ein Lkw war kaputt und musste schnell repariert werden. Einen Kater hatte Gerhard Woiwode nicht: Er trank überhaupt nur zwei Mal im Leben Alkohol. Drei Gläschen Eierlikör und einen Rest aus einer Bierflasche. „1947 war das – und mehr vor Hunger.“ Dass er heute noch so gut beieinander ist, hat auch mit seiner Lebensweise zu tun: Er hat nie geraucht, trinkt keinen Kaffee, verzichtet auf Fleisch. Irmgard, die immer noch das tägliche Mittagessen selbst kocht, benutzt dafür nur pflanzliche Fette.

Natürlich bekamen die Gäste gestern auch einige von Gerhard Woiwodes Kriegserlebnissen zu hören: Die Geschichte, wie er einen verwundeten Amerikaner 1944 im Rhonetal zu einem französischen Arzt brachte und ihm damit wohl das Leben rettete, ist sogar in einem Buch verewigt. Aber er sah während einer Truppenverlegung auch Auschwitz, zwei Tage stand der Eisenbahnzug auf den Gleisen vor dem Tor, das als Fotomotiv weltbekannt wurde. „Uns wurde klar: Falls irgendwann Gleiches mit Gleichem vergolten wird, bleibt von Deutschland nichts übrig.“

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