Paléo Festival 2017: Alles so schön versöhnlich hier

Da betritt Win Butler doch wieder eine Bühne in der Schweiz. Der Sänger der kanadischen Indie-Rock-Band zieht am Mittwochabend gar seinen Hut vor den Zehntausenden Besuchern am Paléo Festival bei Nyon. Immer wieder winkt er ins Publikum und zeigt sich von einer äusserst freundlichen und versöhnlichen Seite.

Dabei hat Butler 2011 bei seinem letzten Besuch in der Schweiz, am Montreux Jazz Festival,[1] selbst für Misstöne gesorgt. Damals sagte er während des Auftritts mehrmals: «Vielleicht sind wir das letzte Mal in der Schweiz.» Noch deutlicher wurde er drei Jahre später. In der amerikanischen Musikzeitschrift «Rolling Stone»[2] liess er sich zu einer regelrechten Schimpftirade hinreissen. Butler sagte, sie hätten bereits mehrfach in der Schweiz gespielt (zwischen 2005 und 2007 in Zürich[3], St. Gallen und am Paléo Festival) und danach die Regel aufgestellt, sie würden dies nie mehr wieder tun.

Das Publikum hierzulande sei «reich und verwöhnt», die Shows deshalb «schrecklich». Nach Montreux sei die Band bloss gekommen, weil sie nicht realisiert habe, dass die kleine Stadt am Genfersee in der Schweiz liege. Das Publikum im Auditorium Stravinski sei das schlechteste überhaupt gewesen. Deshalb habe er die Menschen damals aufrütteln wollen und angekündigt, man spiele das letzte Mal in der Schweiz, so zitierte das Magazin Butler.

Die Schimpftirade von 2014 scheint am Mittwochabend am Paléo Festival vergessen. Das Publikum feiert die Band rund um Butler und seine Ehefrau Régine Chassagne ausgelassen. Bis in die hintersten Reihen tanzen die Konzertbesucher. Arcade Fire steht seinem Publikum auf der Bühne in nichts nach. Immer wieder strahlt Butler freudig, sichtlich angetan von der Show. Mit vollem Einsatz hüpft er auf der Bühne herum, legt sich auf den Boden, wo er beinahe schon ekstatisch weiter Gitarre spielt. Damit motiviert der Bandleader auch die acht anderen Musiker, die einen engagierten Auftritt hinlegen und rege ihre Instrumente tauschen, neben Schlagzeug, Gitarren und Bass auch Geige, Saxofon oder Klavier. Der Klangteppich ist beeindruckend. Er rollt von der Grande Scène, der grössten Bühne des Festivals, über die Zuschauer hinweg, ohne sie zu erdrücken. Das Publikum klatscht mit und wird so laut wie bei keinem anderen Konzert an diesem zweiten Abend des sechstägigen Festivals.

Vielleicht ist Arcade Fire mit den Jahren versöhnlicher geworden. Musikalisch hat die Band ihre düstere Rockmusik hinter sich gelassen. Schon der Titel des neuen Albums, das nächste Woche erst erscheinen wird, «Everything Now», klingt heiterer als der des ersten aus dem Jahr 2003, «Funeral». Es bietet Discosound, der insbesondere in der Live-Version zum Tanzen anregt. Die fröhliche Klaviermusik erinnert bisweilen an die schwedische Pop-Gruppe Abba.

«Everything Now» ist die konsequente Fortsetzung der Entwicklung der Band, die schon bei den vorhergehenden Alben «The Suburbs» (2010) und «Reflektor» (2013) zu beobachten war. Zwar sind die Texte noch immer nachdenklich und kritisch, doch die fröhlichen Klänge, die zum Mitklatschen anregen, dominieren. Sie sind wohl auch Steve Mackey von Pulp und Thomas Bangalter von Daft Punk zu verdanken, die das Album mitproduzierten.
[4][5]

Vielleicht hat aber auch das Publikum am Paléo Festival, das so anders ist als an anderen Schweizer Open Airs[6], die kanadische Band versöhnlich gestimmt. Während viele Festivalbesucher wegen der Party und der Exzesse an die Festivals in St. Gallen oder Frauenfeld reisen, lockt das Paléo bei Nyon mit Bands, die kleine Namen tragen und doch schon grosse Musik spielen, wie die Zürcher Len Sander oder Parcels aus Australien. Sie spielen neben bekannten Bands wie den Red Hot Chili Peppers, Jamiroquai oder Manu Chao.

Fast 40 000 Menschen strömen von Dienstag bis Sonntag täglich auf das weitläufige Festivalgelände. Dank den sieben Bühnen und zahlreichen weitere Attraktionen steht man sich dennoch selten auf den Füssen herum. Und wer es gerne einmal etwas ruhiger hat, zieht sich in das Village du Monde ganz oben auf dem Hügel zurück, das jedes Jahr einer anderen Weltregion, in diesem Jahr Zentralamerika, gewidmet ist. Auch in diesem Jahr haben Studierende der Fachhochschule Westschweiz wieder eine begehbare Skulptur beigesteuert. Von der obersten Etage des «Smooth Volcano» bietet sich den Zuschauern ein eindrücklicher Blick über das gesamte Gelände bis hin zum nahe gelegenen Zeltplatz, wo jede Nacht 10 000 Besucher übernachten.

Diese rundum gute Atmosphäre hat offenbar auch Win Butler angesteckt. Als Arcade Fire für eine Zugabe nochmals zurück auf die Bühne kommt, sagt er: «Egal, was gesagt wird. Wir haben nichts gegen die Schweiz, und wir werden wiederkommen!» Die Misstöne scheinen endgültig verklungen. Das Schweizer Publikum darf sich auf weitere Auftritte der kanadischen Band freuen, die vor allem live überzeugt.

Quelle:

www.nzz.ch

Fußnoten:

  1. ^ am Montreux Jazz Festival, (www.nzz.ch)
  2. ^ Musikzeitschrift «Rolling Stone» (www.rollingstone.com)
  3. ^ Zürich (www.nzz.ch)
  4. ^ «The Suburbs» (2010) (www.nzz.ch)
  5. ^ «Reflektor» (2013) (www.nzz.ch)
  6. ^ das so anders ist als an anderen Schweizer Open Airs (www.nzz.ch)

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